Unser eigener Ball
Erzählt von Heinz Weiß
Nachdem unsere Ball - Ausleihe aus der Schule gescheitert war, gaben wir natürlich die Sucht, Fußball zu spielen, nicht auf. Wo immer wir etwas Rundes, Kugeliges fanden, verwendeten wir es zum Bolzen.
Das Jahr 1948 brachte die Währungsreform und wie durch ein Wunder konnte man sehr schnell wieder viele Dinge für das tägliche Leben kaufen, wenn man das nötige Geld dafür hatte.Von uns fußballbegeisterten Jugendlichen gingen damals einige schon in die Lehre.
Viele fuhren täglich mit dem Fahrrad nach Altdorf und von dort mit dem Zug, natürlich noch von einer Dampflok gezogen, nach Nürnberg.
Die MAN-Lehrlinge brachten eines Tages die Nachricht mit, dass auf ihrem Weg vom Nürnberger Bahnhof zur MAN ein Sportgeschäft eröffnet hatte und dass dort im Schaufenster ein lederner Fußball zum Kauf angeboten sei.
Den Kaufpreis weiß ich heute nicht mehr, aber er war für unser aller Geldverhältnisse unvorstellbar hoch. Wir haben uns tagelang immer wieder von diesem Ball erzählen und den Mund wässerig machen lassen. Nach einiger Zeit des Pläneschmiedens stand der Entschluss fest:" Den Ball wollen wir kaufen!"
Die „MAN-ler" verhandelten mit dem Sportgeschäftinhaber und brachten die frohe Nachricht mit, dass der Ball für uns reserviert wird bis der größte Teil des Kaufpreises aufgebracht werden kann. Wir begannen also eine Sparaktion.
Jeder Pfennig, der auch nur irgendwo aufgetrieben werden konnte, wurde abgegeben. Die Lehrlinge zweigten jede Woche von ihrem Lohn einen Kleinbetrag ab. Ganz ganz langsam wuchs die Summe. Es dauerte weit bis in den Winter des Jahres 1948/49 hinein, bis es endlich soweit war.
Inzwischen hatte sich unser "Fußballplatz", der obere Anger, auch schon verändert. Es waren nämlich Tore aufgestellt. Das heißt natürlich nur zwei Pfosten und eine Querlatte. Sie waren zusammengezimmert aus Fichtenstämmen, die wir aus dem Wald eines lieben Weißenbrunners bekommen hatten.
Die Pfosten waren keine Schwierigkeit. Aber die langen Querlatten sahen doch sehr abenteuerlich aus. Da sie nicht zu schwer sein durften, konnten wir nicht zu dicke Bäume nehmen. Und so hatten wir schließlich Querlatten, die von einem Pfosten bis zum anderen immer dünner wurden.
Sie hingen natürlich auch in der Mitte durch und wackelten oft bedenklich, wenn sie vorn Ball getroffen wurden. Aber es waren Tore.
Die mit dem Sportgeschäft vereinbarte Summe war schließlich zusammengespart. Der Tag war gekommen, an dem unser eigener Lederball abgeholt und nach Weißenbrunn gebracht werden sollte. Die „Nümbergfahrer“ brachten ihn mit.
Wir anderen, die wir schon daheim waren, wussten genau, wann sie mit den Fahrrädern von Altdorf her ankommen sollten. Wir waren alle auf dem Anger versammelt. Es war Winter, etwas Schnee lag und wir hatten Vollmond. Schließlich kamen die lange Erwarteten.
Sie hatten eine Pappschachtel dabei, in der unser Prachtstück lag. Wir zogen gemeinsam unter die Hoflampe bei der Gastwirtschaft Fink, und dort wurde die Schachtel geöffnet. Da lag er nun. Er war aus rotem Leder und hatte die Aufschritt "Sport Zipfel"!
Mit großem Geschrei wurde er herausgeholt, alle stürmten auf den Anger und beim Licht des Vollmondes durfte jeder einige Schussversuche unternehmen. Und an den Wochenenden gab es von da an dann wieder richtige Fußballspiele, aber nun mit unserem eigenen "Sport-Zipfel".
Sehr lange hat er leider nicht gehalten, obwohl er sehr regelmäßig gesäubert und immer gut gefettet wurde. Unser selbst gezimmertes Tor ist ihm zum Verhängnis geworden.
Er krachte eines Tages mit großer Wucht ausgerechnet an die dünnste Spitze der Torlatte, eins der Lederteile zerriß und mit lautem Knall platzte die Gummiblase. Das war für uns ein ziemlich trauriges Ende.